Der Geilste

Viel hilft viel. Im BMW i3 bedeutet das: Die für 1.200 Euro Aufpreis erhältliche Batterie mit 27,2 abrufbaren Kilowattstunden Kapazität (Bruttowert: 33,2 kWh) führt zu einem entscheidenden Mehr an Freiheit. Je seltener ich rechnen muss, ob ich entspannt ans Ziel komme oder eine Zwangspause an der Ladesäule einplanen sollte, desto mehr wird der i3 zum Spaßgerät. Denn das ist der Unterschied zwischen dem BMW und der Konkurrenz: Weil er mit 1.320 Kilogramm (nach EU-Norm inklusive Fahrer) besonders leicht und mit 125 kW (170 PS) ziemlich stark ist, macht dem i3 bei der Dynamik niemand etwas vor. Er wird dem Markenkern der Freude am Fahren gerecht. Er ist die zeitgemäße Antwort auf den Mini Cooper S und in jeder Kurve einfach der Geilste. Agil, wendig und mit Heckantrieb, so muss sich ein BMW anfühlen.

Von 18,8 auf 27,2 kWh. Es ist für mich faszinierend zu sehen, wie die Batteriekapazitäten der wenigen Autos am Markt explodieren. Die Hersteller geben den Fortschritt an die Kunden weiter. Das aktuellste Beispiel dafür ist der Renault Zoe, bei dem der Akku von 22 auf 41 kWh springt. Was für den Renault gilt, trifft auch beim BMW i3 zu: Das Bauvolumen für die Batterie ist identisch. Und die i3 im Bestand können für 7.000 Euro nachgerüstet werden.

Stark variierende Reichweitenangaben

Was aber bringt’s denn nun, wie groß ist die Reichweite? BMW nennt hierzu mehrere Zahlen. Im Comfort Modus (also nicht im leistungsreduzierten Eco Pro Plus) stehen 300 (für 20-Zoll-Felgen) oder 312 Kilometer (für 19-Zöller) im offiziellen Datenblatt. Nach dem EU-Zyklus NEFZ. Zusätzlich gibt BMW „bis 200 Kilometer Reichweite im Alltagsbetrieb“ an.

Ich habe mir inzwischen angewöhnt, auf die US-Webseiten der Hersteller zu gehen um zu prüfen, wie hoch die EPA-Range ist. In den Vereinigten Staaten schafft der i3 114 Meilen , was umgerechnet etwa 184 Kilometern entspricht. Der Testverbrauch lag im Durchschnitt über 849 gefahrene Kilometer bei 16,2 kWh / 100 km. Daraus resultieren 168 Kilometer Realreichweite.

Diese Zahl ist für mich keine Ernüchterung, denn ich bin mit den Abweichungen zwischen Prüflabor und Wirklichkeit vertraut. Für die Produzenten aber ist sie eine Warnung: Auf dem Pariser Autosalon war es Volkswagen (e-Golf: „300 km“), Renault (Zoe: „400 km“) und Opel (Ampera-e: „500 km) nicht zu peinlich, die NEFZ-Reichweiten laut und in großen Lettern zu kommunizieren. Hier werden Erwartungen geschürt, die zwangsläufig zur Enttäuschung für müssen, wenn immer mehr Durchschnittskäufer zum BEV (Battery Electric Vehicle) greifen.

Allerdings räume ich ein, dass ich es den BMW i3 nicht zurückhaltend gefahren bin. Mehr als einmal habe ich das Strompedal an der Ampel durchgetreten – siiiiup, 50 km/h liegen an –, und mehr als einmal habe ich aus engen Kurven heraus die volle Leistung abgerufen. Die Werksangabe von 7,3 Sekunden gibt das Vergnügen nur unvollkommen wieder. Da kann ein Model S noch so brachial beschleunigen, ein i3 bereitet – sorry, Tesla – mehr Spaß, denn er wiegt viel weniger, und die kompakte Karosserie lässt sich besser durch Städte und Überlandstraßen zirkeln.

Überhaupt, der Stadtverkehr: Hier lag der Verbrauch nur bei 13,3 kWh / 100 km und die Reichweite damit über 200 km. Müsste ich den BMW einordnen, würde ich ihn als Van bezeichnen. Knapp vier Meter Länge bei 1,58 Meter Höhe sind das Zeugnis der Konzeption als „Mega City Vehicle“. Sehr gut ist auch der Wendekreis von 9,86 Meter. Rein in die Parklücke, passt.

Auf der Autobahn dagegen wird es weiterhin grimmig für den i3. Bei trockener Straße, wenig Wind (für norddeutsche Verhältnisse) und 19 Grad Außentemperatur fuhr ich aus Hamburg heraus bis zur Ausfahrt Bockel Richtung Bremen und die gleiche Tour zurück. Bei per GPS gemessenen 130 km/h (Tacho: 135 km/h) zeigte der Bordcomputer 20,8 kWh / 100 km an. Ein Top-Wert im Vergleich zu anderen BEVs. Und trotzdem belegen die daraus errechneten 131 km Reichweite, dass die Fahrt in einem Batterie-elektrischen Auto weiterhin mit erheblichen Einschränkungen bei der Nutzung verbunden ist.

Sich auf die Abstriche einstellen

Das stimmt mich keineswegs pessimistisch. Im Gegenteil. Nach allem, was ich derzeit vernünftig wissen kann, wird sich der als „RIP“ bekannte Problemkreis aus Reichweite, Infrastruktur und Preis mittelfristig von selbst auflösen. Ich halte es inzwischen nicht mehr für die Vision von berufszuversichtlichen Unternehmensberatern, dass ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor im Jahr 2025 teurer sein könnte als eins mit E-Antrieb. Im Hier und Jetzt sind mir die Abstriche des BEVs an sich bewusst – und ich stelle mich darauf ein. Beim BMW i3 muss also jede lange Route gut überlegt sein: Wo finde ich Gleichstromsäulen (DC) nach dem CCS-Standard und 50 kW Ladeleistung? Wie schalte ich dort den Strom frei, und was kostet das? Die bekannten Portale wie Going Electric helfen mir.

Erfreulich ist, dass der BMW i3 tatsächlich schnell lädt. Hierzu habe ich mir beispielhaft eine Ladekurve des Testwagens kommen lassen: Bis zum SOC (state of charge) von 80 Prozent zieht der i3 rund 47 kW. Darüber geht die Leistung asymptotisch zurück. So lagen beim SOC von 88 Prozent noch circa 30 kW und bei 92 Prozent noch etwa 15 kW an. Das sind gute Ergebnisse.

Eine Vollladung habe ich nur mit Wechselstrom (AC) ausprobiert. Auch hier bietet die i3-Version mit 27 kWh einen wichtigen Vorteil gegenüber der weiterhin angebotenen 19 kWh-Variante: Sie kann dreiphasig mit elf kW geladen werden. Das Schieflastelend, also kurz gesagt die auf 4,8 kW beschränkte einphasige Heimladeleistung, hat damit ein Ende. Alle Interessenten, die ein BEV lange halten wollen, sollten darauf achten, dass zumindest im deutschen Markt elf kW der kommende Mindeststandard sind.

Droht das Schicksal des Audi A2?

Schluss mit den technischen Details. Ich möchte auf die Konsequenz eingehen, mit der BMW beim i3 vorgegangen ist. Vielleicht gibt es kritische Manager im bayrischen Autokonzern, welche die Kombination auf Purpose Design und Carbon-Fahrgastzelle als zu skurril und zu teuer bewerten. Ich aber wünsche mir genau das: Die Fortführung und Weiterentwicklung eines Elektroautos, dass sich nicht als Ableitung eines vorhandenen Standard-BMWs, sondern als eigenen Weg versteht. Es wäre bedauerlich, wenn der i3, den ich mir in dieser Form auch von Audi als Nachfolger des A2 hätte vorstellen können, genau dessen Schicksal erfährt: Eingestellt, weil zu innovativ – das wäre traurig.

Die hohe Karosseriesteifigkeit ist für jeden erfahrbar, die Leichtigkeit ist immer spürbar und stellt einen Kontrast zu anderen BEVs dar. Allein das Türkonzept bietet aus meiner Sicht keinen Vorteil. Es sieht gut aus, wenn ein geöffnetes Auto keine B-Säule hat. Wirklich praktisch ist es dennoch nicht.

In der Version mit vergrößerter Batterie und ohne den üblen Range Extender ist der i3 am besten. Was mir an diesem BMW gefällt, ist die Kombination aus Dynamik und konzeptionellem Mut. Ich habe das Gefühl, jetzt schon in einem Klassiker zu sitzen. Und der hat seinen Preis.

Bei 36.150 Euro geht es los; unter Berücksichtigung der E-Prämie von 4.000 Euro schrumpft der Kurs auf 32.150 Euro. Pflichtextras sind die Wärmepumpe (660 Euro) sowie das Schnell-Ladepaket (990 Euro). Ich empfehle außerdem den Driving Assistant Plus, der wiederum an das Navigationssystem Business (990 Euro) sowie das Comfortpaket (1990 Euro) gebunden ist. Macht nochmals 3.790. Der Testwagen war wie üblich mit fast allem ausgestattet, was die Preisliste hergibt; nur das schöne Glasdach (980 Euro) war nicht verbaut. Es ist problemlos möglich, einen Bruttolistenpreis von über 45.000 Euro zu konfigurieren. Billig war die Freude am Fahren bei BMW noch nie.

Erschienen am 11. Oktober bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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