Mehr als 800 Kilometer Reichweite in einer Minute Ladezeit: Henrik Fiskers Versprechen für die Solid State Batterie im elektrischen Luxussportler EMotion ist fantastisch. Irgendwann nach 2020 könnte die Produktion von solchen Akkus mit Feststoff-Elektrolyt beginnen, so Fisker. Mit einer 2,5-mal so hohen Energiedichte wie bei herkömmlichen Batterien. Zum Serienstart Ende 2019 aber muss der faszinierend gezeichnete EMotion mit herkömmlichen Zellen von LG Chem auskommen. Genug für 640 Kilometern Reichweite im US-amerikanischen EPA-Zyklus, 260 km/h Spitzengeschwindigkeit und alles vereint in einem Design, dem die Handschrift des Dänen sofort anzusehen ist.
Skulptural nennt Henrik Fisker die Formensprache. Die Front fällt steil ab. Die Karosserieüberhänge sind kurz und die Räder mit 24 Zoll Durchmesser sehr groß. Der Punkt, wo die Seiten- und die Windschutzscheibe zusammenlaufen, liegt extrem niedrig. Davon profitiert die Übersicht. Fisker nutzt das Potenzial des Batterie-elektrischen Antriebsstrangs. Die Länge gleicht einem 7er BMW – das Raumangebot soll viel großzügiger sein, und die Höhe von 1,48 Meter lässt eine geringe Angriffsfläche für den Wind vermuten. Platz für Menschen mit Anspruch und entsprechender Kaufkraft: Der Einstiegspreis liegt bei 129.000 US-Dollar (ca. 109.000 Euro); Reservierungen werden für 2.000 Dollar entgegengenommen.
Es fällt auf, dass sich Henrik Fisker in der Kommunikation eher an europäischen Premiummarken orientiert als an Tesla, dem offensichtlichen Konkurrenten. Vielleicht liegt das an seiner beruflichen Sozialisation: Fisker hat den BMW Z8 gezeichnet, diverse Aston Martin-Modelle und den Artega GT. Den Sprung aus der Designabteilung zum Auto-Entrepreneur hat Fisker 2011 mit dem Karma gewagt. Der Plug-In-Hybrid wurde weltweit bekannt durch den Stealth Mode (übersetzt etwa: Tarnkappenmodus) genannten E-Betrieb sowie die Fernsehserie „Two and a half men“, in der Ashton Kutcher den Karma fuhr. Der Name hat dem Auto kein Glück gebracht: Nach der Pleite des Batteriezulieferers A123 wurden durch den Hurrikan Sandy 300 Exemplare des Karma zerstört.
Elektrisch oder nichts
Vom Verbrennungsmotor hat sich Fisker inzwischen endgültig verabschiedet. Je ein E-Motor an der Vorder- und Hinterachse treiben den EMotion an. Genaue Leistungsdaten gibt es nicht, und auch die Batteriekapazität wird nicht genannt. Angesichts der Fahrzeuggröße, der Reichweite und der psychologischen Notwendigkeit, die aktuelle Topversion des Tesla Model S zu überbieten, darf von rund 120 Kilowattstunden (kWh) ausgegangen werden.
Wenn der Fisker EMotion Ende 2019 auf den Markt kommt, wird Porsche mit dem Wettbewerber Mission E eine weitere Alternative zu Tesla bieten. Der EMotion richtet sich an die Kunden, denen ein Tesla schlicht zu langweilig finden. Darüber hinaus will Fisker mit Lidar (für Light Detection and Ranging) das vollautomatisierte Fahren (Level 4) ermöglichen: Fünf dieser Sensoren messen Abstände und Geschwindigkeit mit höchster Präzision. Aus der Laufzeit des Lichts zu einem reflektierenden Element und zurück ergeben sich äußerst genaue Umgebungsbilder. Audi setzt im neuen A8 als erster Hersteller ein vergleichbares System in Serie ein. Das Ziel ist die maximale Sicherheit bei der Fahrautomatisierung.
Wann kommt die Solid State Batterie?
Neben dem EMotion zeigt Fisker auf dem Messestand einen Prototyp der geplanten Solid State Batterie. Vielleicht ist es Teil der US-amerikanischen Showkultur, mit der auf den ersten Blick unglaubwürdigen Ladezeit von einer Minute für 800 Kilometer Reichweite zu protzen. Dennoch lohnt es sich, genau hinzuschauen – wo liegt die Grenze zwischen Wunsch und Wirklichkeit?
Die Industrie zeigt seit einigen Jahren Batteriezellen mit festem statt flüssigem Elektrolyt. Neben der höheren Energiedichte, die mit einem insgesamt geringeren Materialeinsatz einhergeht, ist die kalendarische Zyklenfestigkeit eine Stärke dieser Technik. Auch bei der Betriebssicherheit soll es Vorteile geben – soll, denn bei der Fortentwicklung von Batterien setzen die meisten Hersteller auf Evolution statt auf Revolution.
Viele Ankündigungen, keine Serienproduktion
So hat Bosch das Startup Seeo gekauft. Eine verbindliche Serienproduktion ist nicht absehbar. Auch Panasonic, der Partner hinter Teslas Gigafactory, bleibt vorerst bei der heute übliche Lithium-Ionen-Zellchemie: Das japanische Unternehmen hat kürzlich den Ausbau der Kooperation mit Toyota verkündet. Ab 2020 werde man Batteriezellen für die kommenden E-Autos produzieren. Und obwohl auch Toyota mehrfach auf das Potenzial von Solid State hingewiesen hat, wird die Massenproduktion mit konventionellen Zellen starten.
In Hintergrundgesprächen mit diversen Firmen heißt es, dass es vor 2023 wohl keine Feststoff-Elektrolyt-Batterien im Auto geben werde. Nicht, weil die Technik nicht handhabbar wäre. Sondern eher, weil es billiger und einfacher ist, die aktuellen Zellen sowie deren Packaging im System zu verbessern.
Es bleibt die Frage, ob es eine vernünftige Erklärung für die Ladezeit von einer Minute für 800 Kilometer geben kann. Der Pressetext von Fisker legt nahe, dass es tatsächlich ums Laden von Strom geht und nicht um ein Batterietauschsystem. Also nachgerechnet: Legt man 15 kWh Verbrauch pro 100 Kilometer zu Grund, entsprechen 800 km 120 kWh. Um diese Energiemenge in einer Minute in den Akku zu bringen, wäre allerdings eine Ladeleistung von 7.200 kW nötig – die schnellsten heutigen Säulen liefern 350 kW. Das ist nicht plausibel.
Möglich ist, dass sich die Forscher einer beliebten Rechenmethode bedient haben. Die Spekulation: Eine einzelne Versuchszelle wurde mit einer sehr hohen Leistung und C-Rate geladen, und aus diesem Wert könnte einfach hochgerechnet worden sein. Anschließend veröffentlicht man diese Laborwerte – wohl wissend, dass sie beeindruckend, aber für die Realität nicht umsetzbar sind. Unabhängig von solchen Überlegungen ist es begrüßenswert, wenn der Markt der E-Autos durch einen weiteren Typ belebt wird: Henrik Fisker wird keine Probleme haben, Käufer für den EMotion zu finden.
Erschienen am 9. Januar bei heise Autos.