Euro 7 gilt auch für Elektroautos

Die Europäische Kommission hat den Vorschlag für die Abgasnorm Euro 7 veröffentlicht. Sie kann nach der Zustimmung durch Parlament und Rat in Kraft treten. Das soll ab Mitte 2025 passieren. Die verschärften Grenzwerte für Stickoxide, Partikelzahl und Partikelmasse – meistens Feinstaub genannt – betreffen aber nicht nur die neuen Pkw mit Verbrennungsmotor. In der Euro 7 sind diverse Vorschriften enthalten, die sich auch auf Elektroautos auswirken. Das Ziel ist, dass die Atemluft so sauber wie möglich wird. Die Europäische Kommission schafft mit den neuen Rahmenbedingungen die Voraussetzung, um die Luftreinhalterichtlinie einzuhalten, die sie selbst plant: 2030 sollen maximal 10 statt bisher 25 Mikrogramm pro Kubikmeter erlaubt sein – sonst drohen Fahrverbote.

Was passiert hier eigentlich? In der Europäischen Union gibt es zwei unterschiedliche Mechanismen, um Neuwagen zu regulieren: Der eine und wichtigere ist die Reduzierung des CO2-Flottengrenzwerts. Bis 2030 muss der durchschnittliche CO2-Ausstoß der tatsächlich verkauften Pkw im Vergleich zu 2020 um 55 Prozent und bis 2035 um 100 Prozent sinken. Relevant hierfür ist allein das Kohlendioxid, das im Labor direkt gemessen wird. Und das beträgt bei Elektroautos null Gramm.

Der CO2-Flottengrenzwert erzwingt also den kontinuierlich steigenden Marktanteil von Batterie- und Brennstoffzellen-elektrischen Autos. Wie genau die Hochlaufkurve aussieht, lässt sich ungefähr abschätzen: Weil die verbliebenen Pkw mit Verbrennungsmotor nur leichte Fortschritte bei den CO2-Emissionen machen, dürften mindestens 25 Prozent der 2025 verkauften Neuwagen elektrisch fahren. 2030 liegt der Anteil bei wahrscheinlich über 50 und vielleicht sogar bei 70 Prozent. Entscheidend hierfür ist, wie sich die Kosten von Elektroautos im Vergleich zu konventionellen Pkw entwickeln. So oder so: Ab 1. Januar 2035 ist Schluss mit den Vielzylindern.

Bei den Abgasnormen geht es nicht um CO2, sondern um Stickoxide (NOx), Partikelzahl (PN) und Partikelmasse (PM). Das ist der zweite Mechanismus.

Keine Abweichung mehr im realen Straßenverkehr

Im Entwurf für die Abgasnorm Euro 7 werden Diesel- und Benzinmotoren erstmals gleichbehandelt. Konkret sinkt für Dieselmotoren der Grenzwert bei den Stickoxiden um ein Viertel von 80 auf 60 mg/km. Zusätzlich wird der so genannte Conformity Factor abgeschafft. Hinter diesem beschönigenden Begriff verbirgt sich die Erlaubnis, bei der inzwischen verpflichtenden realen Straßenmessung mehr schädliche Abgase ausstoßen zu dürfen als auf dem Laborprüfstand: Bei den Stickoxiden war eine Abweichung von 43 Prozent nach oben gesetzeskonform, und bei der Partikelzahl waren es sogar 50 Prozent. Das ist beides gestrichen.

Dem International Council on Clean Transportation (ICCT) genügt das nicht. Die Nichtregierungsorganisation sieht den Vorschlag der EU-Kommission kritisch: „Die Technologien, um die letzte Generation der Autos mit Verbrennungsmotor noch sauberer zu machen, sind nicht unerschwinglich“, erklärt dazu Felipe Rodriguez vom ICCT. Für deutlich weniger als 500 Euro pro Fahrzeug sei eine drastische Reduzierung der Abgase möglich. Rodriguez argumentiert, dass Millionen von Neuwagen mit Verbrennungsmotor erst noch produziert werden und für 15 oder mehr Jahre auf den europäischen Straßen unterwegs sind.

Prinzipiell ist die Abgasnorm Euro 7 auch für Elektroautos gültig. Und hier gibt es zwei neue, interessante Aspekte:

Erstmals Grenzwert für Bremsabrieb

Alle neu zugelassenen Pkw müssen einen Grenzwert für den Bremsabrieb einhalten. Er beträgt in einem ersten Schritt sieben Milligramm pro Kilometer und ab 2035 drei Milligramm. Elektroautos und hybridisierte Autos verzögern zuerst über den Elektromotor, bevor die Scheibenbremse greift und Abrieb produziert. Ob das ausreicht, um die Limits einzuhalten, ist unklar. Die Industrie hofft, mit dieser Rekuperation und anders gemischten Belägen auf der sicheren Seite zu sein. Wahrscheinlich ist aber spätestens 2035 entweder eine Absaugung der Bremspartikel oder eine Kapselung der Bremsanlage notwendig. Wie das aussehen kann, hat zum Beispiel die DLR in einem Forschungsfahrzeug gezeigt. Erstmals adressiert wird im Kommissions-Entwurf zur Abgasnorm Euro 7 auch das Mikroplastik, dass durch den Reifenverschleiß entsteht.

Batterie-elektrische Autos müssen zusätzlich – das ist der zweite Aspekt – eine Mindesthaltbarkeit erreichen: Nach fünf Jahren oder 100.000 Kilometern darf der Energieinhalt nicht unter 80 Prozent des ursprünglichen Werts fallen. Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern sind es 70 Prozent. Das entspricht zwar dem, was die meisten Hersteller ohnehin garantieren. Es ist in der EU aber üblich, neue Anforderungen zuerst lasch zu formulieren. Später wird nachgeschärft.

Fazit: Die Abgasnorm Euro 7 stellt die Autoindustrie keinesfalls vor unüberwindbare Hürden. Die Grenzwerte sinken, ohne die Zulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor unmöglich oder extrem teuer zu machen. Es ist richtig, dass endlich auch der Bremsabrieb in die Vorschrift aufgenommen wird. Entscheidend aber bleibt, wie schnell es gelingt, Elektroautos so kostengünstig und attraktiv zu machen, dass die verbliebenen Verbrenner nicht mehr ins Gewicht fallen. Und das alles muss begleitet werden von einem europaweiten und massiven Ausbau von erneuerbaren Energien. Nur so ergibt es Sinn.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Toyota

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