So kommt die Recycling-Pflicht

Das Europäische Parlament hat eine umfangreiche Batterieverordnung beschlossen: Die Mindestquote fürs Recycling wird erheblich angehoben, was neue Verwertungsverfahren notwendig macht. Außerdem können Käuferinnen und Käufer von Elektroautos in Zukunft im Verkaufsraum ablesen, wie viel Kohlendioxid bei der Produktion freigesetzt wurde. Die Zustimmung des Europäischen Rats innerhalb der üblichen Dreimonatsfrist gilt als sicher. Die Batterieverordnung ist bei vielen Aspekten ein Fortschritt. Kritik gibt es aber auch: Die Reparaturfähigkeit wird vom Gesetzgeber nicht eingefordert.

Die herausragende Stärke des Elektroautos ist die Energieeffizienz. Von einer produzierten Kilowattstunde Strom kommt vergleichsweise viel tatsächlich am Rad an. Die Verluste sind gering. Ein Problem ist dagegen der hohe Materialbedarf. Die Batteriesysteme sind eine Mischung vieler Metalle: Stahl oder Aluminium für die Verpackung. Kupfer für die Kabel. Und Lithium, Nickel oder Kobalt als chemisch aktive Komponenten. Wenn jährlich Millionen Elektroautos gebaut werden, werden sehr viele Rohstoffe gebraucht.

Die Förderung dieser Metalle belastet die Umwelt. Es gibt Minen, in denen die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Und die Abhängigkeit von einzelnen Ländern, die beim Abbau oder der Veredelung von Metallen ein quasi-Monopol haben, ist ein strategischer und industriepolitischer Nachteil.

Recycling wäre in jeder Hinsicht sinnvoll – wenn es nicht weiterhin preisgünstiger wäre, neue Rohstoffe zu fördern.

Ab 2031 müssen 80 Prozent des Lithiums recycelt werden

Eine verpflichtende Recyclingquote ist nicht neu: Bisher lag sie bei 50 Gewichtsprozent. Ein Wert, der durch das simple Zerlegen eines Batteriesystems per Hand im Regelfall erreicht wurde. Die crashsichere Verpackung und einige Komponenten haben genügt, um den Zielwert zu erreichen. In der Realität hieß und heißt das, dass die verschlissenen Zellen inklusive des Aktivmaterials verbrannt werden, wofür sich der beschönigende Begriff thermische Verwertung etabliert hat. Faktisch galt also lediglich ein Pseudo-Recycling.

Die neue Batterieverordnung sieht nun vor, dass ab 2027 50 Prozent des Lithiums – also des Aktivmaterials – zurückgewonnen werden müssen. Diese Quote steigt bis 2031 auf 80 Prozent an. Zusätzlich müssen neu produzierte Batterien dieses Recyclat verwenden: Ab 2031 müssen sechs Prozent des Lithiums und des Nickels sowie 16 Prozent des Kobalts aus der Kreislaufwirtschaft stammen.

Die technischen Verfahren für diese Vorgaben sind vorhanden. So hat das Unternehmen Duesenfeld bei Braunschweig schon 2019 gezeigt, dass ein Batteriemodul in einer Schutzgasatmosphäre gefahrlos geschreddert werden kann. Am Ende eines mehrstufigen Trennungsprozesses bleibt eine schwarze Masse übrig, aus der wiederum die wichtigsten Metalle gewonnen werden können. Das oder ähnliche Verfahren stehen bei mehreren Firmen vor dem industriellen Hochlauf.

Transparenz der CO2-Emissionen bei der Produktion

Der Beschluss des Europäischen Parlaments geht aber weit übers Recycling hinaus. So müssen für Traktionsbatterien von Elektroautos – also jene, die für den Vortrieb statt für die Beleuchtung und das Radio zuständig sind – sämtliche CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette dokumentiert werden. Ab 2026 soll das für die Kundinnen und Kunden nachvollziehbar sein. In einem Pass muss zusätzlich die Herkunft der Materialien transparent gemacht werden.

Die Sorgfaltspflicht sieht außerdem vor, dass Unternehmen den Menschen, die in dieser Lieferkette arbeiten, Zugang zu einem Beschwerde- und Entschädigungsmechanismus haben.

Vorgabe zur Reparaturfähigkeit fehlt

So weit, so innovativ? Nicht ganz. Georg Bieker, Leiter des Batterie-Clusters beim International Council on Clean Transportation (ICCT) macht auf einen Mangel aufmerksam: „Die Reparaturfähigkeit von Traktionsbatterien konnte leider nicht durchgesetzt werden“, so Bieker. Zur Erklärung: Wenn nur einzelne Zellen statt des gesamten Systems defekt sind, ist ein Ersatz viel sinnvoller als der komplette Austausch. Der ist aber nicht immer möglich, zum Beispiel wenn die Zellen verklebt oder verschäumt sind.

Unabhängig von der Batterieverordnung gibt es eine weitere laxe Vorgabe in der Europäischen Union: Die vorgeschriebene Mindesthaltbarkeit im Entwurf der Abgasnorm Euro 7 beträgt acht Jahre oder 160.000 Kilometer bei 70 Prozent des ursprünglichen Energiegehalts. Kalifornien dagegen fordert ab 2030 zehn Jahre, 240.000 Kilometer und 80 Prozent. US-amerikanische Verbraucher werden also wirksamer geschützt als bei uns.

Die frisch beschlossenen Vorschriften beim Recycling, bei der Ausweisung des CO2-Abrucks und anderen Inhalten ist trotzdem zu begrüßen. Zwar wird es noch viele Jahre dauern, bis eine relevante Menge von Elektroautos alt genug für die Wiederverwertung ist. Und davor ist noch die Zweitverwertung der Batterien zum Beispiel als Pufferspeicher für Solarstrom wahrscheinlich – zumindest, wenn kein Totaldefekt vorliegt. Heute wird vor allem Ausschuss aus der Produktion eingesetzt, um die Industrieverfahren auszuprobieren. Hier entsteht mittelfristig eine neue Branche.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Duesenfeld

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