Endlich: Offenbar hat das chinesische Unternehmen Contemporary Amperex Technology (CATL) entschieden, in Deutschland Batteriezellen zu produzieren. Nach Erkenntnissen von ELECTRIVE.net favorisiert CATL Erfurt als Standort. Die Hinweise für eine Zellproduktion in Thüringen hatten sich zuletzt verdichtet; so berichtet Bloomberg mit Verweis auf Insider ebenfalls über den Beschluss von CATL. Eine offizielle Bestätigung des aufstrebenden Batteriekonzerns steht noch aus.
Die Bedeutung von CATL für die Autoindustrie ist in jüngster Vergangenheit stark gewachsen. Volkswagen und Daimler haben Lieferverträge für die I.D.-Serie sowie die Submarke EQ abgeschlossen. Darüber hinaus bekommen BMW, PSA und wohl auch Renault-Nissan Zellen von CATL.
In Deutschland waren nach dem gescheiterten Joint-Venture LiTec von Daimler und Evonik im sächsischen Kamenz keine Batteriezellen mehr in großem Stil gefertigt worden. Stattdessen konzentrierten sich die Hersteller darauf, meistens in Asien produzierte Einzelzellen zu einem System zusammenzufügen. Das ist eine elementare Kompetenz, lässt aber die Frage nach lokal gebauten Zellen offen.
Über einen Standort in Deutschland war lange spekuliert worden. So hat beispielsweise das Konsortium Terra E Holding eine Planungsgesellschaft gegründet. CEO Holger Gritzka verspricht, dass Ende 2019 die ersten Zellen vom Band laufen sollen. Dass jetzt darüber hinaus ein internationaler Konzern eine Fabrik mit einer anzunehmenden Kapazität im Gigawattstundenbereich beschlossen hat, ist eine weitere gute Nachricht.
Standortvorteile in Erfurt
Für Erfurt in Thüringen sprechen viele Argumente:
- Die geografische Lage in der Nähe des Volkswagen-Werkes in Zwickau (I.D.-Serie) und anderer relevanter Standorte wie BMW und Porsche in Leipzig.
- Das hohe lokale Potenzial an sehr gut ausgebildeten Fachkräften mit Schlüsselqualifikationen.
- Die weltweit führende Automatisierungsperfektion deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, welche die im Vergleich höheren Lohnkosten ausgleicht.
- Das Wissenschaftscluster im Bundesland Thüringen mit zum Beispiel der Batterieforschung in Jena.
- Die Förderung durch das Bundesland Thüringen im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW).
- Auch die Eröffnung der durchgehenden ICE-Strecke von München über Erfurt nach Berlin ist ein ernst zu nehmender Pluspunkt.
Die Nachfrage nach Batteriezellen wächst rapide an. 2020 soll die globale Gesamtproduktion bei rund 175 Gigawattstunden (GWh) liegen. Das entspricht ungefähr dem Fünffachen des Jahres 2016. Aus ELECTRIVE.net vorliegenden Quellen ist ersichtlich, dass CATL hierzu etwa 44 GWh, also etwa ein Viertel, beitragen soll – und ein Teil davon wird in Deutschland produziert werden.
Börsengang steht unmittelbar bevor
Um das alles zu finanzieren, plant CATL außerdem den Gang an die Börse. Institutionelle Anleger können bereits zeichnen. CATL will zehn Prozent des Unternehmenswertes in Aktien zu je rund 3,40 Euro (25,14 Yuan) und im Volumen von 722 Millionen Euro ausgeben. Daraus ergibt sich also ein Gesamtwert von 7,2 Milliarden Euro.
Der Stellenwert eines Produktionsstandorts für Batteriezellen in Deutschland kann kaum überschätzt werden. Neben der lokalen Wertschöpfung hat die räumliche Nähe einen weiteren Vorteil: Die BMW Group, die Daimler AG und die Volkswagen AG mit allen Marken wie Porsche unterhalten eigene Prototypenabteilungen. Hier werden am Markt befindliche Zellen analysiert und neue Entwicklungen aus der Forschung in Kleinstserie getestet. Das Know-how, das dabei gewonnen wird, fließt in direkter Rückkopplung zu den Zell-Lieferanten. Kurze Wege und persönliche Ansprechpartner können in diesem Zusammenhang ein klarer Wettbewerbsvorteil sein.
Dass CATL kein deutsches oder europäisches Unternehmen ist, mag für viele Beteiligte in Wirtschaft und Politik ein Wehrmutstropfen sein. Es ist aber gut vorstellbar, dass die einheimische Industrie dem asiatischen Vorbild bald nacheifert – spätestens sobald sichtbar wird, dass CATL erfolgreich ist.
Erschienen am 7. Juni bei ELECTRIVE.net.