Teslas Project Redwood

Hohe Stückzahlen, vereinfachte Produktion, wenige Varianten: Das Tesla Model Y ist 2023 der Weltverkaufsmeister. Wohlgemerkt nicht nur bei den Elektroautos, sondern bei sämtlichen Pkw. Trotzdem steht das US-amerikanische Unternehmen vor der Notwendigkeit, weiter zu wachsen. Um das zu realisieren, wird Tesla ein Elektroauto im C-Segment anbieten. Das hat Elon Musk bei der Veröffentlichung der Jahresbilanz gesagt. Das Ziel ist, mit dem Kompaktwagen zum Konkurrenten für den Volkswagen Golf in Europa und international für den Toyota Corolla zu werden.

Der interne Name für den Tesla im C-Segment ist Project Redwood. Die Fertigungslinie soll bereits 2025 in der Gigafactory 5 in Austin (TX) anlaufen. Ähnlich wie beim Model 3 könnte die Produktion zu Beginn die Hölle sein: Tesla will mit dem Next-Generation Vehicle neue Verfahren einsetzen, um die Produktionszeit zu verkürzen. Das Stichwort: Gigacasting.

Gigacasting 2.0

Das Gigacasting wird beim Model Y aus Grünheide bereits praktiziert. Der vordere und hintere Unterboden, an dem die jeweiligen Fahrwerksteile befestigt sind, wird in der Autoindustrie meistens aus vielen Einzelteilen geschweißt oder gefügt. Beim Gigacasting ersetzt ein einziges Aluminiumdruckgussteil diesen Vorgang. Aus stundenlanger Arbeit für Roboter werden Minuten in einer leistungsstarken Presse. Dieses Konzept ist so überzeugend, dass es auch Toyota kopiert. Nach Angaben des japanischen Herstellers werden aus 90 Teilen vorne und 85 Teilen hinten je eins.

Das Gigacasting kommt selbstverständlich auch beim Project Redwood zum Einsatz. Die Frage ist, wie es weiterentwickelt wird: Könnte vielleicht der komplette Unterboden von der Aufnahme des vorderen Fahrwerks bis zum hinteren aus einem Gussteil inklusive Crashgehäuse für die Traktionsbatterie bestehen? Das wäre plausibel. Führt man diesen Gedanken fort, bietet sich außerdem an, dass die Batteriezellen direkt in das Crashgehäuse im Karosserieboden integriert werden. Das wäre Cell-to-body auf einem neuen Level und würde die Kosten senken.

Befürchtungen, dass bei einem Parkrempler vor dem Supermarkt ein Totalschaden entsteht, sind nach heutiger Einschätzung unbegründet. Entscheidend ist, dass die Aluminiumdruckgussteile durch definierte Crashelemente geschützt werden.

Bordnetz mit 48 statt 12 Volt Spannung

„We are just doing the obvious“ – wir tun lediglich das Offensichtliche. Das hat Elon Musk im Interview bei Sandy Munro, dem Gründer und Leiter eines Ingenieurbüros mit Youtube-Channel, gesagt. Musk meint das einerseits generell und andererseits konkret. Die Plattform NV9X für Project Redwood wird neben der Fortsetzung des Gigacastings eine zweite wichtige Neuerung haben: Das in der gesamten Autoindustrie übliche 12 Volt-Bordnetz wird durch eins mit 48 Volt Spannung ersetzt.

Beim Cybertruck ist die Umstellung schon passiert, und alle Baureihen von Tesla werden folgen. Das Bordnetz versorgt Komponenten wie zum Beispiel die Scheinwerfer oder das Bediensystem. Wenn die Spannung erhöht wird, sinken die Kabelquerschnitte und folglich der Kupferbedarf, wobei gleichzeitig die innere Effizienz steigt. Aus der Perspektive des Herstellers wiederum kann Geld und nebenbei Gewicht gespart werden.

Weil Tesla im C-Segment für die Plattform NV9X die Kosten minimieren muss, ist es wahrscheinlich, dass für die Traktionsbatterie weiterhin ein 400 Volt-System zum Einsatz kommt. Das ist zwar eine spekulative Aussage, aber noch sind die Komponenten für 800 Volt nicht besonders preisgünstig. Es wäre ein Game Changer, wenn Tesla im C-Segment mit 800 Volt antritt. Die Vorteile wären zum Beispiel, siehe 48 Volt-Bordnetz, eine bessere innere Effizienz und Nebenwirkungen wie kleinere Biegeradien der Kupferkabel im Batteriesystem oder eine höhere Ladegeschwindigkeit.

Nicht vor 2027 in Deutschland

Bei den technischen Daten an sich dürfen dagegen keine Wunder erwartet werden. Der Energieinhalt der Traktionsbatterie liegt für eine Einstiegsversion mit Heckantrieb mutmaßlich bei rund 55 Kilowattstunden (kWh) und für eine allradgetriebene Topversion bei circa 70 kWh.

Leider bedeutet ein Produktionsanlauf 2025 in Texas nicht, dass im Januar 2026 kompakte Teslas in Deutschland erhältlich sind. Vielmehr dürfte es 2027 werden, bis das Fertigungsverfahren in Austin ausgereift ist, auf die Gigafactorys in Mexico (Giga 6) und Grünheide (Giga 4) übertragen wird und die Elektroautos tatsächlich auf der Straße fahren. Musks Ankündigungen sind in der Vergangenheit im Regelfall deutlich später eingetroffen als ursprünglich geplant, wofür sich der satirische Begriff Elon-Time etabliert hat.

Volkswagen macht den e-Golf neu

Grünheide ist nur 250 Kilometer von Wolfsburg entfernt. Bei Volkswagen muss die Umsetzung eines Elektroautos von Tesla im C-Segment für kalten Schweiß sorgen. „Die deutsche Autoindustrie und Volkswagen können sich nicht länger auf die Wirkung ihres guten Rufs verlassen“, erklärt hierzu Branchenanalyst Matthias Schmidt. Diese Annahme hätte sie vermutlich arrogant gemacht. „Volkswagen muss beides tun: Die traditionelle Qualität ins Zeitalter des Elektroautos übersetzen und zugleich die Eigenschaften der Elektroautos bei Soft- und Hardware stärken“. Geschehe das nicht, so Schmidt, könnte Volkswagen von preisgünstigeren Teslas überrollt werden.

Klar ist, dass Volkswagen einen strategischen Fehler beim e-Golf gemacht hat: Statt die vorhandene Version auf Basis des Golf 7 weiterzupflegen und parallel weiterlaufen zu lassen, wurde sie zu Gunsten der ID-Serie gestrichen. Die ID-Serie wiederum scheint beim Design nicht genau genug den Geschmack der konservativen europäischen Kunden zu treffen. Konsequenz: Der nächste Golf wird wieder elektrisch fahren – und das wohl erst 2028.

30.000 Euro plus X

Es gibt inzwischen keine Geheimnisse mehr beim Fortschritt der Traktionsbatterien oder bei Innovationen in der Fertigung. Die weltweite Autoindustrie prüft genau, wie sich Elektroautos in preissensiblen Segmenten bauen lassen. Offen ist nur, wer schnell genug ist und dabei keine Fehler macht: Wenn es Tesla gelingt, ein Elektroauto im Format eines Hyundai Kona mit ansprechendem Crossover-Design bezahlbar zu machen, könnte das der nächste Weltverkaufsmeister werden.

Von der immer wieder genannten Summe 25.000 US-Dollar sollten sich Neugierige aber nicht blenden lassen. Das wären umgerechnet nur gut 23.000 Euro. Solche Werte sind im Regelfall ohne Mehrwertsteuer gemeint, und außerdem richten sich Listenpreise immer nach dem Marktumfeld. Es ist darum eher von 30.000 bis 35.000 Euro für eine Einstiegsversion zu rechnen. Auch damit wären viele Interessenten zufrieden.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Tesla

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