Eine Norm für die Ladeperformance

Der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) arbeitet an einer Standardisierung für den Vergleich der Ladeperformance von Elektroautos. Das Ziel der ISO/SAE 12906: Kaufinteressenten sollen nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien feststellen können, wie schnell das gewünschte Elektroauto lädt. Hierzu gibt es bisher keine einheitliche Norm, und auch die ISO/SAE 12906 ist noch nicht final veröffentlich. Bekannt ist, wie die Verfahren aussehen werden und welche Messgrößen veröffentlicht werden sollen. Diese Standardisierung wird zu einer klaren Verbesserung im Sinn des Verbraucherschutzes führen. Und leider hat die Ausgestaltung auch absehbare Mängel.

Derzeit gibt es keine einheitliche Darstellung der Ladeperformance. So wird gerne die Minutenzahl für den Ladehub angegeben – allerdings bei manchen Herstellern von fünf auf 80 Prozent und bei anderen von 30 auf 80 Prozent. Hier kommt es also zu erheblichen Verzerrungen. Offen ist auch, unter welchen Bedingungen diese Werte erzielt wurden. War die Traktionsbatterie warm oder kalt?

Üblich und weit verbreitet ist auch die Angabe der höchsten erzielbaren Ladeleistung. Diese wird in Kilowatt (kW) gemessen und kann 100, 200 oder noch mehr kW betragen. Auch dieser Wert ist nur ein Ausschnitt, weil er im Regelfall bei einem niedrigen Ladestand und nur für kurze Zeit erreichbar ist.

Tesla wiederum macht keine modellspezifischen Angaben und spricht von bis zu 275 Kilometern (km) Reichweite, die in 15 Minuten nachgeladen werden können. Der VDA übernimmt diese Lesart und macht sie zu einer der vier Messgrößen, die dem potenziellen Kunden angezeigt werden sollen.

Freiwillige Angabe von vier Parametern

Konkret sieht die ISO/SAE 12906 diese vier Werte vor:

  • Den Reichweitenzuwachs nach WLTP in Kilometern, der in zehn Minuten möglich ist.
  • Die DC-Ladezeit für den Hub von zehn auf 80 Prozent sowie die AC-Ladezeit für die Vollladung.
  • Die Ladeeffizienz in diesen Fenstern (also die Verluste).
  • Die Peakleistung.

In einem ersten Schritt ist die Norm freiwillig und die Hersteller dürfen zusätzliche Angaben machen. Nach fünf Jahren Gültigkeit wird es eine Überarbeitung und vielleicht eine Nachschärfung geben.

So weit, so gut und sinnvoll.

Kommen wir zu den Abstrichen und Schwächen: Die dargestellten Messwerte sind optimiert – und das in zumindest einem Punkt ohne Not.

Messung bei Idealtemperatur

Für die Vergleichsmessung wird das Elektroauto über zwölf Stunden auf 23 Grad temperiert. Hier richtet man sich nach den Prüfbedingungen des WLTP. Es ist offensichtlich, dass diese Vorgabe nicht berücksichtigt, dass es draußen deutlich kälter oder auch wärmer sein kann. Gute Elektroautos begegnen diesem Problem mit aktiven Heiz- und Kühlsystemen sowie mit einer automatischen oder manuellen Vorkonditionierung der Traktionsbatterie. Die Qualität ist in dieser Hinsicht aber höchst unterschiedlich: Es gibt immer noch Elektroautos, bei denen diese Systeme dürftig ausgelegt oder nicht vorhanden sind, während es bei anderen exzellent funktioniert. Fahrzeuge mit schlechten Systemen profitieren also von der Festlegung auf 23 Grad.

Die Messung beginnt bei einem SOC (State Of Charge) von kleiner oder gleich neun Prozent beziehungsweise einer Restreichweite von 15 bis 60 km. Alle Parameter wie die Peakleistung sowie die Ladezeit nach fünf, zehn (das ist die spätere Angabe) und 20 Minuten sowie auf 80 und 100 Prozent werden erhoben.

WLTP kombiniert statt Extra High

Die nach zehn Minuten nachgeladene elektrische Energie wird nun ins Verhältnis zum kombinierten WLTP gesetzt. Das ist schön im Sinn der Autoindustrie, entspricht aber nicht der Lebenswirklichkeit: Die Ladezeit interessiert die Fahrer im Regelfall nur auf der Langstrecke und nicht auf der Kurzstrecke zum Kindergarten, in den Supermarkt oder ins Büro. Und hier, auf der Autobahn, wird schneller gefahren, was den Stromverbrauch in die Höhe treibt.

Es wäre ohne weiteren Aufwand möglich gewesen, statt des kombinierten WLTP-Werts den Teilzyklus Extra High zu wählen. Dieser Wert liegt in den Zulassungspapieren selbstverständlich vor. Und Extra High bedeutet keineswegs, dass irre schnell gefahren wird: Dieser Teilzyklus des WLTP hat eine Spitzengeschwindigkeit von 131,3 km/h, die wiederum nur für Sekunden erreicht wird. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ohne Stopps liegt bei 94 km/h. Der kombinierte Wert mit diversen Halteszenarien dagegen wird mit nur 46,5 km/h und entsprechend viel geringerem Stromverbrauch ermittelt.

Immerhin, und das ist den Normierungsgremien des VDA zugute zu halten, ist die Standardisierung auf dem Weg, eine Verschärfung ist möglich, und auch eine internationale Angleichung ist vorgesehen. Es tut sich was in der Welt der Elektroautos, und es ist richtig, eine gerade auch für Laien verständliche Angabe der Ladeperformance zu machen.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: VDA

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