Auf der Sonnenseite

Der Aufwand, der für die Fahrenergie im Straßenverkehr getrieben wird, gerät in Vergessenheit, weil das System perfekt funktioniert: Irgendwo auf der Welt – im Wüstensand, der Weite Russlands oder der Nordsee – ist ein Bohrloch. Dort wird Erdöl nach oben gepumpt. Ein Naturprodukt, das aus verrotteten Pflanzen entstanden ist. Hochgiftig und konfliktfördernd. Meistens wird es per Tanker in die internationalen Häfen transportiert, wo es in einer Raffinerie zu den Enderzeugnissen verarbeitet wird. Dieselkraftstoff und Superbenzin, die in Hubkolbenmotoren verbrannt werden, wobei vor Millionen Jahren gebundenes Kohlendioxid freigesetzt wird. Im Vergleich dazu erscheint die Idee simpel und umweltfreundlich, ein Elektroauto mit dem selbsterzeugten Strom aus der eigenen Fotovoltaikanlage zu bewegen.

Warum wird dieses Konzept trotzdem so selten umgesetzt?

Das liegt zuerst an der Einfachheit des eingeschliffenen Automobilprinzips. Es ist bequem, den Wagen ab und zu vollzutanken. Die Halter von über 47 Millionen Pkw in Deutschland sind daran gewöhnt. Wer dagegen ein mit Elektroauto mit Sonnenstrom vom Eigenheim laden will, muss sich intensiv damit befassen: Pauschale Aussagen sind weitgehend unbrauchbar, weil die Rahmenbedingungen so unterschiedlich sind.

Einspeisevergütung als Preisgarantie

Beim Betrieb einer Fotovoltaikanlage garantiert der Staat eine Einspeisevergütung, also einen Festpreis für die Abnahme des Stroms. Die Kosten dafür werden über die EEG-Umlage von allen Privatkunden getragen; für Firmen gibt es Ausnahmen. Wie hoch diese Einspeisevergütung ist, hängt vom Datum der Inbetriebnahme ab: Im Mai zum Beispiel werden es bei einer typischen Hausanlage bis 10 Kilowatt-Peak (kWp) Leistung 9,7 Cent pro Kilowattstunde (kWh) sein. Die Installationskosten der Paneele liegen bei gut 1.000 Euro pro kWp.

Die Einspeisevergütung wird kontinuierlich abgeschmolzen wird („Degression“). Gleichzeitig lässt sich auf einer langen Zeitachse beobachten, dass der Preis für Strom aus dem Netz schrittweise ansteigt. Zuletzt waren es laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) 31,37 Cent pro kWh.

Es ist die stetig zunehmende Spreizung zwischen Einspeisevergütung und allgemeinem Strompreis, die Betreiber einer Fotovoltaikanlage zu einer zwingenden Logik führt: Je mehr des selbstproduzierten Stroms auch selbst verbraucht wird – zum Beispiel zum Fahren – desto besser; ein Elektroauto ist hierfür ein ideales Instrument, und die Amortisation der Anlage beschleunigt sich.

Jedes Elektron persönlich kennen

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, befürwortet die Eigennutzung im Elektroauto: „Ich kenne jedes Elektron persönlich“, sagt er und verweist damit auf den extrem kurzen Weg zwischen Produktionsanlage und Abnehmer. Durchleitungsverluste fallen kaum an, und „natürlich macht es ein gutes Gefühl, unabhängig von Mineralölkonzernen“ zu sein.

Neben der schnelleren Amortisation verweist Professor Quaschning auf weitere Vorteile einer hohen Eigenverbrauchsquote: „Die Netze werden durch erneuerbare Energien belastet. In dem Moment, wo ich den Strom selbst in ein Elektroauto lade, entlaste ich die Netze. Das ist überhaupt die niederschwelligste Methode, um Fahrenergie zu erzeugen.“

Ein wichtiges technisches Element hierzu ist eine gesteuerte Wallbox in der Garage – also ein Ladepunkt für Wechselstrom – der mit dem Wechselrichter der Fotovoltaikanlage kommuniziert. Vereinfacht gesagt kann eine intelligente Wallbox das Elektroauto in Abhängigkeit eines Starttermins dann laden, wenn eigener Strom zur Verfügung steht. Hierzu können auch Wetterdaten herangezogen werden. Das Ziel ist immer, so wenig wie möglich teure elektrische Energie aus dem allgemeinen Netz zu verbrauchen.

Damit mehr Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, empfiehlt Volker Quaschning von der HTW Berlin eine bessere Gesetzgebung: Zurzeit sind die meisten Betreiber einer Fotovoltaikanlage Unternehmer mit entsprechendem Aufwand etwa bei der Gewinnermittlung und Steuererklärung. „Es muss einfacher werden, selbst Solarstrom zu erzeugen und zu verwalten“, so Quaschning.

Stationäre Batterien als Erweiterung

Ein Vorteil von aktuellen Batterie-elektrischen Autos ist die inzwischen ziemlich große Speicherkapazität. Ein Kleinstwagen wie ein Volkswagen e-Up etwa kann gut 32 kWh fassen. Allerdings fällt der Strom vorwiegend im Sommerhalbjahr an, und viele Fahrzeuge sind tagsüber nicht zu Hause. Es kommt also wie immer auf die individuellen Gegebenheiten an.

Als Alternative gibt es stationäre Batterien, die Solarstrom puffern und abends oder nachts abgeben. Die aus der Autoindustrie kolportierten Preise pro Kilowattstunde Kapazität sind in der Branche allerdings nicht ablesbar. 150 Euro oder weniger? Fehlanzeige. Hier ist es ein Vielfaches. Auf lange Sicht kann sich der Einsatz dennoch rechnen.

Das Unternehmen Sonnen GmbH zum Beispiel bietet eine stationäre und wartungsfreie Batterie mit 5,5 kWh Kapazität für 5.600 Euro netto plus Installation an. Die eingesetzte Zellchemie unterscheidet sich von der in Elektroautos, weil weniger Rücksicht auf Gewicht und Raumbedarf genommen werden muss. Im Gegenzug sind Langzeithaltbarkeit und Sicherheit besonders wichtig. So schafft eine durchschnittliche Elektroautobatterie 1.500 Ladezyklen bei acht Jahren Garantie, während Sonnen 10.000 Zyklen und zehn Jahre garantiert.

Zusätzlich bietet die Sonnen GmbH an, die vor einem Jahr von Royal Dutch Shell übernommen wurde, Teil eines virtuellen Kraftwerks zusammen mit anderen Speicherbesitzern zu werden. So lässt sich nicht nur Geld sparen, sondern auch verdienen, weil der Strom innerhalb der Community getauscht werden kann. Und immer gilt, dass die Preisdifferenz zwischen zugekauftem und selbstgenutztem Strom perspektivisch zur schwarzen Null und mehr führen kann und soll.

Der Wunsch, ein Elektroauto mit Strom aus der Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach zu betreiben, entspringt häufig dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit von der Versorgung durch fossile Rohstoffe und deren Herkunftsländer. Rein technisch ist das zumindest teilweise machbar. Ob es individuell auch finanziell sinnvoll ist, muss jeder Interessent in seiner Leben- und Wohnsituation prüfen. An dieser Mühe führt kein Weg vorbei.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Tesla

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