Das feste Versprechen

Festkörperbatterien sind das Endspiel. So sagt es Frank Blome, Leiter Batteriezelle bei Volkswagen, auf dem Power Day im März. Statt flüssigem kommt ein fester Elektrolyt zum Einsatz. Die Vorteile laut Blome: „Solid State Batterien sind einfacher aufgebaut, haben mehr Leistung und kosten weniger.“ Im Ergebnis steige die Reichweite um 30 Prozent, und zugleich sinke die Ladezeit auf die Hälfte. Bis zur industriellen Produktion würde es aber „noch viel zu tun geben“. Volkswagen investiert trotzdem regelmäßig in das kalifornische Unternehmen Quantumscape. Kürzlich waren es weitere 100 Millionen Dollar. Was ist dran am Hype um diese Zelltechnologie?

Volkswagen ist nicht allein. Auch andere Autohersteller beteiligen sich bei Firmen, die an Festkörperzellen forschen. So haben BMW und Ford im Mai Geld in Solid Power aus den USA gepumpt. Viel bedeutender wirkt auf etliche Beobachter, dass sich mit Toyota und Panasonic zwei Giganten zusammengetan haben: Eigentlich plant deren Joint-Venture zu den Olympischen Spielen in Tokio den Prototypen einer Solid State-Zelle vorzustellen. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Rahmen diese Premiere stattfindet und wann eine Serienproduktion denkbar ist.

Jürgen Janek, Professor für physikalische Festkörperchemie, ordnet die Chancen von Solid State Batterien ein. Er hat einen Lehrstuhl an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Von hier aus wird auch das vom Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) finanzierte deutsche Kompetenzcluster Festkörperbatterien koordiniert: „Wenn solche Zellen mit einer reinen Lithium-Metallanode kombiniert werden, halte ich mehrere zehn Prozent Reichweitenzuwachs für eine sinnvolle Einschätzung“, so Janek.

Problem Großserienproduktion

Erst die Verbindung aus festem Elektrolyten und Lithium-Metallanode führe zu einem deutlichen Plus der gespeicherten Energie, erklärt Professor Janek. Die gravimetrische Energiedichte steigt, weil auf Graphit verzichtet werden kann. Anders gesagt: Die Batterie wird pro Kilowattstunde leichter. Weil metallisches Lithium hochreaktiv sei, wäre allerdings die „hochskalierte Produktion das größte Risiko“. Grundsätzlich sei er optimistisch, was die Chancen der Festkörperzellen an sich betrifft. Einen Serieneinsatz im Massenmarkt erwartet Professor Janek aber nicht vor 2030.

Bis zum Ende des Jahrzehnts werden auch die konkurrierenden Zellchemien nicht in Stillstand verharren. Ein Beispiel dafür ist die von Volkswagen auf dem Power Day genannte Zeit für das Laden auf einen Stand von 80 Prozent der Batterie. Wenn der Leiter Batteriezelle, Frank Blome, von einer ungefähren Halbierung spricht, nennt er konkret 20 bis 35 Minuten für konventionelle und zwölf Minuten für Festkörperzellen von Quantumscape.

Hyundai verkauft jedoch mit dem Ioniq 5 schon heute ein Elektroauto, das in 18 Minuten auf 80 Prozent lädt. Um das zu erreichen, arbeitet das Batteriesystem mit konventionellen Zellen, aber 800 statt 400 Volt Spannung. Auf der gleichen Basis aus dem Hyundai-Konzern kommt demnächst auch der Kia EV6. Und Porsche Taycan sowie Audi e-tron GT zeigen ebenfalls, was ein 800 Volt-System bewirken kann.

Effizienz als Grundlage guter Reichweiten

Um große Reichweiten bei hohen Geschwindigkeiten – sprich: auch der Autobahn – erzielen zu können, müssen Elektroautos mehrere Kriterien erfüllen: Die Aerodynamik muss optimal sein. Fahrzeuge mit einer großen Stirnfläche wie zum Beispiel SUVs sind folglich für lange Distanzen ungeeignet. Ein niedriger Luftwiderstand führt zu einem geringen Stromverbrauch. Wenn so ein effizientes Elektroauto zusätzlich eine große Batteriekapazität mit einer hohen Ladegeschwindigkeit vereint, ist die Autobahneignung vorhanden. Die Klassiker in dieser Hinsicht kommen mit Model S und Model 3 Long Range von Tesla.

Überhaupt zeichnet sich ab, dass Elektroautos stärker auf ihren individuellen Einsatzzweck hin konstruiert werden. Kleinwagen, die ohnehin fast nur für Kurzstrecken zum Einkaufen, zur Arbeit oder zur Schule eingesetzt werden, bekommen bald preisgünstige, belastbare und kobaltfreie Batterien. Ihre Reichweite bleibt gering.

Elektrische Sportwagen im Hochpreissegment

Bis in die Kompaktklasse hinein werden bis Mitte des Jahrzehnts vermehrt 800 Volt-Batteriesysteme zu sehen sein. Sie verbessern die Performance der heute üblichen Zellen mit flüssigem Elektrolyten und einer Kathode aus viel Nickel und wenig Kobalt. Wie das geht, zeigen Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 vorbildhaft.

Falls Solid State Batterien in ein Elektroauto eingebaut werden, ist das vermutlich zuerst eins im Hochpreissegment. Wegen des vergleichsweise niedrigen Gewichts könnte es ein Sportwagen sein. Zum Beispiel der Porsche 911 des Jahres 2031.

Der Ersatz des flüssigen durch einen festen Elektrolyten ergibt Sinn: Neben dem erwarteten Reichweitenzuwachs ist es vor allem der reduzierte Materialeinsatz, der positiv stimmt. Der immense Ressourcenverbrauch und dessen Kosten sind zurzeit der eigentliche begrenzende Faktor für Elektroautos. Ob und wann Solid State Batterien in Großserie produziert werden können, ist unklar. Bei nüchterner Betrachtung sind sie keine Revolution. Aber sie könnten ein wichtiger Teil der kontinuierlichen Verbesserung sein.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Volkswagen

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