BEV only. Das Autojahr 2019 bringt so viele elektrische Neuheiten, dass wir die Plug-in-Hybride aus Platzmangel wegfallen lassen. Allen Verzögerungen und Lieferschwierigkeiten zum Trotz verbessert sich das Angebot an Batterie-elektrischen Pkw kontinuierlich. Das Wichtigste im Überblick!
Obwohl die Auslieferung erst Anfang 2020 beginnt, wird der Volkswagen ID. viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Volkswagen plant eine gigantische Vermarktungskampagne. So wird der ID. ab dem zweiten Quartal vorbestellbar sein. Für die Wolfsburger gibt es kein Zurück mehr: Sie haben Milliarden in den ID. und dessen modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) investiert. Ein Wagnis mit der Bedeutung des Generationswechsels vom Käfer auf den Golf, den Volkswagen nebenbei als verbrennungsmotorische Nummer 8 vorstellt. Der Ära der Skandale soll jetzt eine Zeit folgen, in der die Menschen auf die Produkte schauen. Es wird spannend.
Ab Ostern rechnen wir mit der massenweisen Verbreitung des Tesla Model 3. Okay, für uns in Europa hat es dann drei Jahre vom geilen Launch-Event bis zur Straßenpräsenz gedauert. Das Ergebnis wird die Reservation Holder dennoch glücklich machen – außer beim Preis. Vorerst gibt es nur die Long Range-Ausführung für mindestens 57.900 Euro sowie das Model 3 Performance ab 68.600 Euro. Wir gehen davon aus, dass für dieses Geld noch nicht alle Autopilot-Funktionen verbaut sind; es wird also faktisch noch teurer. Die von Tesla georderten Transportkapazität von 3.000 Autos pro Woche beweist aber, dass das der Beliebtheit keinen Abbruch tut.
Mutmaßlich erheblich bezahlbarer wird der zweite Renault Zoe, von den Fans gerne die Zoe genannt. Wir hatten heimlich bereits beim Pariser Autosalon auf die Präsentation gehofft. Die Franzosen werden die Evolution des Topsellers jetzt wohl in Genf vorstellen – zeitgleich mit dem nächsten Clio. Die Karosserieform ähnelt der des Zoe 1. Bei Batterie und Leistungselektronik erwarten wir dagegen eine deutliche Änderung: Die Kapazität wird auf rund 50 kWh wachsen, das DC-Laden nach CCS wird eingeführt und vielleicht auch die Effizienz des Antriebsstrangs gesteigert. Dass Carlos Ghosn, der letzte Sonnenkönig unter den Autobossen, wegen des Verdachts der Untreue in japanischer Haft sitzt, wird den Erfolg des Zoe nicht behindern.
Die Konkurrenz im Segment schon eher: Der französische PSA-Konzern verkauft ab der zweiten Jahreshälfte den DS3 Crossback E-Tense. Die Eckdaten der in Kooperation mit Dongfeng aus China konstruierten Plattform sind 50 kWh Batteriekapazität, 100 kW Motorleistung und neben dem DC-Laden serienmäßig dreiphasiges AC-Laden. Von diesem Package profitieren auch die elektrischen Nachfolger des Peugeot 208 und des Opel Corsa. Ein viertes Modell auf gleicher Technikbasis und von der Marke Citroen ist auch in der Pipeline. Der Basispreis soll laut Branchenkreisen bei rund 30.000 Euro liegen – ein Kurs, der in ähnlicher Höhe beim Volkswagen ID. genannt wird. Für den Kunden besteht also die Wahl zwischen konventionellem Conversion (PSA) und platzschaffendem Purpose Design (Volkswagen). Die Stückzahlen in dieser Fahrzeugklasse sind grundsätzlich höher als im Hochpreissegment, die Margen sind es nicht.
Apropos Premium: Audi wird nach der erneuerten Typprüfung des e-tron mit der Auslieferung beginnen, die Schrägheckvariante e-tron Sportback vorstellen und den e-tron GT ankündigen. Letzterer steht auf der Premium Platform Electric (PPA) von Porsche, arbeitet also mit 800 Volt Batteriespannung. Der Porsche Taycan wiederum wird seine Premiere auf der IAA feiern. Flach, stark, schnell – der Taycan erregt das Interesse der internationalen Kunden stark, und er wird zu Beginn eher verteilt als verkauft werden. Geld spielt bei den Käufern der Marke eine zweitrangige Rolle. Das Gefühl, den ersten Batterie-elektrischen Porsche zu fahren schon. Die Zuffenhausener wollen eine Sportlimousine entwickeln, die dem Wesenskern von Porsche voll gerecht wird. Ein Leichtgewicht kann der Taycan wie alle Akkufahrzeuge zwar nicht werden – aber das ist der traditionelle und vergleichbare Panamera auch nicht.
Weil die IAA in Frankfurt das Hochamt der deutschen Hersteller ist, werden auch BMW und Mercedes nicht mit elektrischen Neuheiten geizen. BMW bringt den iX3 sowie den e-Mini, und Mercedes stellt den EQA vor. Studien dürfen ebenfalls nicht fehlen. BMW wird außerdem den i4 zeigen und Mercedes des EQS, eine elektrische Interpretation der S-Klasse, die den Erlkönigjägern zuletzt häufig vor die Linse fuhr.
Die Hyundai Motor Group aus Südkorea mit den Marken Hyundai und Kia ist unterdessen keineswegs untätig. 2019 werden etliche Besteller ihren Kona EV oder Nexo übernehmen. Die wichtigste Neuheit ist das Facelift des Hyundai Ioniq, dem sparsamsten Batterie-elektrischen Auto. Wir rechnen mit einer auf mehr als 40 kWh gewachsenen Kapazität bei zivilen Preisen. Kia wird den bereits vorgestellten e-Niro in den beiden aus dem Hyundai Kona EV bekannten Leistungsvarianten bringen, wobei der Kia rund 20 Zentimeter länger ist und entsprechend mehr Platzangebot hat. Zum e-Niro gesellt sich der Sauberwürfel Soul EV II, der in Norwegen gut nachgefragt ist.
Für die Japaner gilt wie gehabt Kaizen, die fortwährende Verbesserung des Bestehenden. Nissan verkauft den Leaf 2 mit 60 kWh Batteriekapazität, und Toyota wird als erstes BEV einen elektrischen C-HR für China ankündigen. Zu langweilig? Aus der Perspektive des Normalbürgers gibt es immerhin eine Neuheit, bei der die Vorfreude groß ist: Der Honda Urban EV kommt. Während die Studie nur zwei Türen hatte, wird die Serienversion vier bekommen. Die Fotos der getarnten Prototypen zeigen, dass hier ein gut proportioniertes und gefälliges Auto entstanden ist. Top.
Last but not least sehen wir 2019 die Davids zwischen den Goliaths: In der zweiten Jahreshälfte fängt die Auftragsfertigung des Sono Sion an. Das viertürige Elektroauto mit einer bei Elring-Klinger gebauten 35 kWh-Batterie wird mit 25.500 Euro zwar viel teurer als zu Beginn erhofft, kann jedoch trotzdem mit der Karosserie inklusive integrierter Solarpaneele, bidirektionalem Laden und Anhängerkupplung punkten.
Auch der Life von e.Go Mobile soll endlich zum Kunden gehen; noch gilt der Einstandspreis von rund 16.000 Euro, auf den vor allem Pflege- und Lieferdienste neugierig sind. Im Schweizer Microlino erlebt die BMW Isetta eine zeitgemäße Wiedergeburt, und aus Schweden könnte mit dem Uniti One ein Konkurrenzangebot bei den Kleinwagen entstehen. Die kleinen Startups sind eine wichtige Motivation für die Großserienhersteller, sich wirklich zu bewegen – selbst wenn das Zeitfenster für den Erfolg eng wird.
Unsere Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und es ist eine wirklich gute Nachricht, dass es schwierig geworden ist, alle Neuheiten aufzuzählen. Der echte Boom allerdings kommt erst noch.
Erschienen am 31. Dezember bei ELECTRIVE.net.